65 Jahre nach ihrem Start kommt das Aus für die DRK-Rettungswache
Das nennt man wohl Ironie des Schicksals: Am Ostermontag des Jahres 1959 hatten ehrenamtliche Rettungskräfte des damaligen DRK-Zuges Rheda erstmalig eine behelfsmäßige Sanitätsstation an der Autobahn A2 eingerichtet. Fast auf den Tag genau 65 Jahre später, am frühen Morgen des Ostersonntags 2024, ist das Ende der später daraus entstandenen DRK-Rettungswache Rheda-Wiedenbrück besiegelt.
Ein letztes Mal hatten ehrenamtliche Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes von Ostersamstag 7 Uhr bis Ostersonntag 7 Uhr eine 24-Stunden-Schicht absolviert. Das Protokoll ihres letzten Einsatzes weist zwölf Hilfeleistungen aus. Die DRK-Aktiven haben damit den Regelrettungsdienst, der nach einem Beschluss des Rheda-Wiedenbrücker Stadtrates zuvor von der Doppelstadt auf den Kreis Gütersloh übergegangen war, gleichsam ein letztes Mal entlastet.
Mit einer kleinen Gedenkveranstaltung haben haupt- und ehrenamtliche Vertreter:innen des Deutschen Roten Kreuzes am frühen Morgen des Ostersonntags Abschied von der Institution „DRK-Rettungswache Rheda-Wiedenbrück“ genommen. Nach dem Schichtende um 7 Uhr hatte zunächst DRK-Kreisvorstand Ilka Mähler die Aktiven zu einem gemeinsamen Frühstück im Aufenthaltsraum der Wache in der Rhedaer Fuggerstraße eingeladen.
Im Anschluss daran kam es zu einer offiziellen und denkwürdigen Abschiedsfeier. Teilnehmer waren neben DRK-Präsident Gerhard Serges und Kreisrotkreuzleiter Michael Schumacher auch als Vertreter der Stadt Bürgermeister Theo Mettenborg und Feuerwehrchef Matthias Goerke.
Nachdem ein DRK-Sprecher an Entstehung und Historie der Rettungswache erinnert hatte, würdigten DRK-Präsident Serges und -Kreisvorstand Ilka Mähler in sehr persönlichen Worten das langjährige und herausragende Wirken der ehrenamtlichen Rettungskräfte. Ein Sonderlob gab es für die beiden Wachenleiter Michael Ossenkemper und Markus Ruse. Als äußeres Zeichen des Dankes überreichte Ilka Mähler an alle eingesetzten Sanitäter:innen ein T-Shirt mit dem Slogan „Retter mit Herz“.
Dass der letzte Tag der Rettungswache mit „Traurigkeit und Schwermütigkeit“ verbunden sei, lag für Bürgermeister Theo Mettenborg auf der Hand. Die Wache sei immer eng mit dem Rettungsdienst der Stadt verzahnt und eine wichtige Ergänzung gewesen. „Wir haben die Zusammenarbeit mit dem DRK sehr geschätzt“, meinte das Stadtoberhaupt. Mettenborg dankte dem Roten Kreuz und seinen Aktiven für das gute Miteinander. Abschließend äußerte er die Hoffnung, dass die Zusammenarbeit weitergehen werde.
Nach dem Ende der offiziellen Feier und im Anschluss an ein Erinnerungsfoto wurde es für die DRK-Aktiven noch einmal emotional: Im Rahmen eines kleinen symbolischen Akts nahmen sie Abschied von zwei kleinen Rettungsfahrzeugen. Diese hatten sie in einem offenen Sarg vor ihrem eigenen mit Trauerflor geschmückten Rettungstransportwagen positioniert. Mit einer roten Gerbera, die sie danach in den Sarg warfen, sagte die Sanitäter:innen der Wache am Tag vor deren 65. Geburtstag für immer „Ade“.
Historie der Rettungswache Rheda-Wiedenbrück des Deutschen Roten Kreuzes
Auf Initiative von Zugführer Bernhard Rothland richten Aktive des DRK-Ortsvereins Rheda am Ostermontag des Jahres 1959 an der Autobahn A2 erstmalig eine Rettungsstation mit Sanitätszelt und Krankenwagen ein. Es ist die bundesweit erste dieser Art. Grund dafür ist der erwartete starke Rückreiseverkehr in Richtung Ruhrgebiet. „Glücklicherweise wurde ein Einsatz nicht erforderlich“, heißt es später im Bericht des Ortsvereins über die Premiere.
Nach Ostern richtet das DRK im Zelt an der A2 einen Hilfsdienst ein, der bis in den Herbst hinein an den Wochenenden im Einsatz ist.
Bei einem Besuch im Oktober spricht der Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und Präsident des DRK-Landesverbands Dr. Köchling von einer „Pioniertat des Rhedaer Zuges“, die weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus bekanntgeworden sei.
Nach Errichtung einer Holzbaracke wird der Unfalldienst im Folgejahr der Gründung auf die kalte Jahreszeit ausgedehnt. Das Jahr 1962 beschert den Aktiven kurz vor Weihnachten den bis dato schwierigsten Einsatztag: Nach starkem Schneefall ereignen sich innerhalb kurzer Zeit 32 Unfälle. Mit Schneeketten an ihrem Fahrzeug eilen die Retter pausenlos zu ihren Einsätzen.
In einem Zeitungsartikel aus den Anfangsjahren heißt es wörtlich: „Der bei Autofahrern und Polizei bekannteste DRK-Zug des Bundesgebiets ist zweifellos im westfälischen Fürstenstädtchen Rheda beheimatet. Vater des guten Gedankens war Rhedas DRK-Zugführer Bernhard Rothland.“
Das von dessen Nachfolger Herbert Tieskötter in Ehren gehaltene Gästebuch der Station weist neben den Sanitätsdiensten auch etliche Hilfeleistungen – etwa nach Fahrzeugpannen – aus. Auch prominente Zeitgenossen, wie der ehemalige Oppositionsführer und heimische Bundestagsabgeordnete Rainer Barzel, finden sich mit einer Eintragung darin.
Mitte der 90er Jahre kommt das Aus für den Standort an der A2. Die Rettungswache wird zum Evangelischen Krankenhaus verlegt. Nach dem Ende des Krankenhauses bezieht die Wache ein neues Domizil im frisch renovierten Bahnhofsgebäude. Als der Raumbedarf für die dort vertretenen Dienststellen der Stadt größer wird, folgt Anfang 2023 ein letzter Ortswechsel zu einem Wohn- und Geschäftshaus in der Fuggerstraße. In den zwölf Monaten des vergangenen Jahres werden die DRK-Sanitäter:innen zu insgesamt 476 Einsätzen gerufen. Mit ihren beiden Fahrzeugen legen sie dabei nicht weniger als 11.000 Kilometer zurück. Der Beschluss der Rheda-Wiedenbrücker Lokalpolitik, den bis dato städtischen Rettungsdienst in andere Hände zu geben, besiegelt schließlich nach 65 Jahren auch das Ende der Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes.