Die Vermittler im Katastrophenfall
Ein Bericht von Anja Frielinghaus, Die Glocke, Gütersloh
Kreis Gütersloh (afri). Wenn der Gruppenalarm auf dem Handy auslöst, muss es schnell gehen. 75 Minuten haben Markus Theißen, Norbert Barthel und Marion Nagel dann Zeit, um ins Kreishaus Gütersloh zu gelangen. Sie sind drei von insgesamt elf Ehrenamtlichen, die bei der Personenauskunftsstelle – kurz Pass – des Kreises Gütersloh tätig sind.
Bei der Personenauskunftsstelle, die im Kreis Gütersloh vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betrieben wird, laufen bei Naturkatastrophen wie zum Beispiel Erdbeben oder Hochwasser sowie bei Unfällen mit mehr als 20 Verletzten die Fäden zusammen. Die Ehrenamtlichen betreuen die Notfallhotline, bei der Personen anrufen können, die ein vermisstes Familienmitglied oder einen Freund suchen. Dafür funktionieren die Mitarbeiter im Ernstfall den Schulungsraum des Kreishauses Gütersloh zu einer Telefonzentrale um. „Jeder bekommt seinen eigenen Computer, ein Telefon und ein Headset“, erklärt Markus Theißen, der die Pass im Kreis Gütersloh leitet.
Für ihre Tätigkeit brauchen die Vermittler Einfühlungsvermögen, Ruhe und Konzentration. Denn die Zeit für die einzelnen Telefonate ist knapp bemessen. „Ein angenommener Gespräch darf nicht länger als sechs Minuten dauern“, erklärt Theißen. Das ist nicht viel, zumal sich die Anrufer in einer Ausnahmesituation befinden, emotional reagieren, unter Schock stehen und mitunter verwirrt sind.
„Wir versuchen, möglichst viele Informationen über die vermisste Person herauszubekommen, um diese in eine spezielle Computer-Datenbank einzupflegen“, erklärt Theißen. Die personenbezogenen Angaben – der vollständige Namen des Vermissten, sein Geburtsdatum, Haarfarbe, Augenfarbe und auffällige Merkmalen wie Tattoos oder Piercings – gleicht das Programm, mit bereits angelegten Profilen ab. Im besten Fall ergibt die Suche einen Treffer, so dass Informationen über den Verbleib des Vermissten an den Anrufer herausgegeben werden können. „Rückrufe tätigen wir nicht“, erklärt Theißen.
Die Daten der an der Einsatzstelle aufgefundenen Opfer bekommen die Mitarbeiter der Personenauskunftsstelle von den Rettungskräften, die Vorort sind oder vom Krankenhaus. „Bisher werden diese Informationen handschriftlich übermittelt. Das soll sich aber bald ändern“, verrät Theißen. Statt mit Papier und Stift, soll auch am Einsatzort mit dem Computer gearbeitet werden. Aus einem einfachen Grund: „Ab und zu ist es schwierig, die Handschrift der Ersthelfer zu entziffern“, sagt Theißen. Die digitale Erfassung spare kostbare Zeit.
Es wird regelmäßig für den Ernstfall geprobt
Kreis Gütersloh (afri). Die Personenauskunftsstelle des Kreises Gütersloh wurde bisher nur selten angefordert. „Zum Glück, denn dann liegt eine Krisensituation vor“, sagt Theißen. Nichtsdestotrotz wird regelmäßig für den Ernstfall geprobt. Wichtig seien vor allem Gesprächstrainings oder Schulungen zum Ablauf. Auch Übungen mit Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei stünden regelmäßig auf dem Programm.
Zuletzt waren die elf Ehrenamtlichen im Rahmen einer übergeordneten Unterstützung bei der Entschärfung einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg in Paderborn im August 2018 im Einsatz. Dort leiteten sie eine Notunterkunft. Für Paderborn war es die bis dahin größte Evakuierung der Stadtgeschichte. Mehr als 1000 Helfer waren an dem Tag im Einsatz.
Hilfe leisteten einige Mitglieder der Pass des Kreises Gütersloh zudem beim Loveparade-Unglück am 24. Juli 2010 in Duisburg. Dabei kamen 21 Menschen ums Leben, 541 weitere wurden schwer verletzt. „Weil bei Unglücken dieser Art die Leistungsfähigkeit der örtlichen Personenauskunftsstelle schnell erreicht ist, hat das Land NRW je eine Personenauskunftstelle in den Landesteilen Nordrhein (Rheinland) und Westfalen eingerichtet“, erklärt Theißen. Die Bezirksregierung Köln stelle dafür die Pass Rheinland und die Bezirksregierung Münster, unter die auch die Pass Gütersloh falle, die Pass Westfalen. Bei Bedarf werde jeweils die Personenauskunftsstelle aktiviert, deren Landesteil nicht von dem Unglück betroffen sei.
DRK sucht Helfer
Die Personenauskunftsstelle des Kreises Gütersloh benötigt dringend Unterstützung. „Momentan sind wir elf, theoretisch bräuchten wir aber mehr als 20 Helfer“, sagt Theißen. Wer Interesse an einer Ausbildung hat, kann sich an die Geschäftsstelle des DRK-Kreisverbands, Helene Gwosdek, w 05241/988621, E-Mail: kab@kv-guetersloh.drk.de wenden. Die Ehrenamtlichen treffen sich jeden dritten Donnerstag im Monat von 19.30 bis 21.30 Uhr im Kreishaus Gütersloh.
Hintergrund: Im Katastrophenfall verknüpft die vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) eingerichtete Personenauskunftsstelle (Pass) die telefonischen Anfragen aus der Bevölkerung nach Vermissten mit Informationen des Rettungsdiensts und der Krankenhäuser. So können Angehörige herausfinden, wo die Vermissten verblieben sind.
Aufgabe der Ehrenamtlichen ist es, Personendaten zu erfassen und Telefonauskünfte zu erteilen.
Alle Kreise und kreisfreien Städte sind nach dem Landesrecht dazu verpflichtet, eine Personenauskunftsstelle einzurichten. Die Entscheidung, wer die Pass betreibt, obliegt beim Kreis oder der kreisfreien Stadt.
Die Personenauskunftsstelle wird bei Bedarf im Kreishaus eingerichtet. Die Alarmierung erfolgt durch den Kreis Gütersloh. Die Rufnummer der Personenauskunftsstelle wird im Ereignisfall durch Rundfunk, Internet und Fernsehen bekannt gegeben. Liegt keine Krisensituation vor, ist die Hotline inaktiv.
Eingerichtet werden kann eine Pass ab einem Massenanfall von mehr als 20 Verletzten. Das kann bei einem Unfall oder einer Naturkatastrophe sein. Angefordert wird die Einrichtung der Pass von der Feuerwehr.